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Greta Van Fleet: München, Zenith (21.11.2019)

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Greta Van Fleet: München, Zenith (21.11.2019)

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Greta Van Fleet 2018
Denn sie wissen, was sie tun

Vor gut einem Jahr plauderten eine Hälfte von Greta Van Fleet und ich ganz nett in Los Angeles, während Sänger Josh leider damals schon krank im Bett lag. Wenige Monate später hatte er wieder etwas am Kehlkopf und die angekündigten Deutschland-Shows mussten um ein halbes Jahr verschoben werden. Die Frage, die sich zu dem Zeitpunkt stellte: Würden Greta Van Fleet ihren unfassbaren Hype so fortsetzen können oder würde der Rummel um die Jungspunde schnell wieder abflauen? Das immer noch ausverkaufte Zenith am Donnerstag ließ schon mal eher auf zweitere Möglichkeit schließen. Auch, dass das bunt gemischte Publikum in der Umbaupause zwischen dem souligen Support-Act Yola und den Stars des Abends Stimmung machte, als würde gleich das unheilige Triumvirat aus Lemmy, Fast Eddie und Philthy aus der Hölle aufsteigen, verstärkte diesen Eindruck. Die halbe Stunde Verspätung machte zudem deutlich, dass sie zwar noch grün hinter den Ohren sind, aber bereits die Kunst beherrschen, einen auf dicke Hose zu machen.

Apropos dicke Hose: Man möchte nicht sexistisch sein, doch als die Buben sich unter tosendem Applaus zu ihrem Hit ›Highway Tune‹ endlich vor ihre Fans bequemten, blieb der Blick erst mal an ihrem kleinen Sänger mit der frechen Frisur hängen. Der sah in seinem roten Catsuit mit Glitzerapplikationen – und ja, hier wird bewusst das Wort Catsuit verwendet und nicht der bequemere Bruder namens Einteiler – aus, als würde er gleich vor einer internationalen Jury ein paar Pirouetten auf dem Eis drehen. Außerdem gab das eigenwillige Kleidungsstück aufgrund des engen Schnitts interessante Einblicke frei. So wissen wir nun, dass Josh Rechtsträger ist und wenigstens hier ein eklatanter Unterschied zu seinem (natürlich nicht beabsichtigten) Vorbild Robert Plant besteht. Der ist nämlich Linksträger, was in „The Song Remains The Same“ eindeutig bewiesen wurde.

Mit Körperlichkeit kokettieren sie ja alle vier gern: Der nur halb bedeckte knabenhafte Oberkörper von Gitarrist Jake war spätestens nach seinem 10 Minütigen Gitarrensolo gleich am Anfang mit Schweiß überzogen, auch Bassist Sam hatte sein Glitzerhemd bis ganz unten aufgeknöpft. Drummer Danny trommelte nach kurzer Zeit sowieso oben ohne. Das ist im Rock’n’Roll-Zirkus bei Gott keine Neuheit, aber in Verbindung mit seinem jugendlichen Aussehen war es fast schon irritierend, wie zielstrebig Josh die Blicke auf seine Körpermitte zog. Ganz zu schweigend von der seltsam zuckenden Handhabung seines Tambourines…

Greta Van Fleet live in München 2019
by Daniel Dommer

Aber abgesehen von den schnöden Oberflächlichkeiten: Wie war es denn jetzt? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht einfach: Rein musikalisch betrachtet war dieser Abend im Zenith wirklich grandios. Auch wenn man das Alter dieser Band einmal außer Acht lässt, wurde hier allein vom Sound, dem Zusammenspiel untereinander und den Arrangements her eine Show geboten, die ganz knapp an Perfektion grenzte. Wobei wir aber vielleicht auch schon beim Problem angelangt sind: Trotz dieser außergewöhnlichen Darbietung stellte sich kein euphorisches Konzertgefühl ein und das lag nicht an dem eher ruhigen Hippie-Jippie-Flower-Power-Set. Viel mehr mag es an der Biografie dieser Truppe liegen. Daran, dass Greta Van Fleet fast schon wie aus einem Urknall entstanden plötzlich einfach da waren. Daran, dass es hier (noch) keine richtige Entwicklungsgeschichte gibt. Fast sofort spielten die vier große Hallen, lieferten ab. Das war und ist beeindruckend, daran gibt es nichts zu rütteln.

Trotzdem wirken Greta Van Fleet wie perfektionierte Abzüge eines Rock-Star-Bildes, das wir alle nur zu gut von bestimmten Bands aus den 70ern kennen und zu schätzen wissen. Auch andere Newcomer orientieren sich daran, doch bei den Gretas steckt hinter Sound, Outfit und Co. so viel Sorgfalt und Vision, dass man es schon fast mit Kalkül verwechseln könnte. Was dagegen ein wenig fehlt: Die Attitüde. Das macht die Jungs schlecht greifbar, die einzelnen Charaktere und Persönlichkeiten innerhalb der Band kristallisieren sich nicht heraus, sie wirken fast schon brav – und das trotz der tiefen Einblicke. Greta Van Fleet sind kein bunter sympathischer Haufen, sondern absolute Vollprofis mit einer gewissen Abgeklärtheit. Klar kann man das feiern – so wie der Großteil des Münchener Publikums am Donnerstag, oder aber man kann sie weiterhin als interessante Exoten in einem großen und von Spannungen malträtierten Rock-Milieu betrachten. Ein Kollege meinte am Ende des Konzerts: „Entweder sie spielen nächstes Mal in der Olympiahalle oder gar nicht mehr“. Ich glaube, er hat Recht.

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